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Der Cooper Farbcode
Jeff Cooper
John Dean "Jeff" Cooper († 2006) war ein Schusswaffenexperte, der als Oberleutnant in der U.S. Army diente. Später gründete er sein eigenes Institut, in dem er Polizisten, Soldaten und auch Zivilisten an Schusswaffen ausbildete. Jeff Cooper hat den sogenannten Cooper Color Code in die Ausbildungen der US-Soldaten und diversen Spezialeinheiten eingeführt.
Der Farbcode auf Zivilpersonen angepasst
In dem Farbcode von Cooper geht es um die eigene Gefechtsbereitschaft, die in verschiedene Stufen der Wachsamkeit unterteilt wird. Der Farbcode hilft einem in Konfliktsituationen, bei Gefahren oder auch im Kampf zu denken - je mehr der Grad der Gefährdung ansteigt, umso mehr muss auch die Bereitschaft ansteigen Maßnahmen zu ergreifen.
Da wir weder in der Army sind, noch von Schusswaffen Gebrauch machen (ich hoffe es), schauen wir uns hier die abgewandelte und auf Zivilisten angepasste Version an. Am Ende dieses Beitrages erfährst Du noch, wie man sich den Farbcode mit den Inhalten sehr einfach einprägen kann.

Weiß = Unaufmerksam - nicht wachsam, unvorbereitet
Wenn man im Status Weiß angegriffen wird, trifft es einen völlig unerwartet und das Einzige, dass einen "retten" könnte, ist die
Unzulänglichkeit des Angreifers. D.h. man sollte sich nur in diesem Zustand befinden, wenn man sich sehr sicher sein kann, dass einem keine Gefahr droht - bspw. in den
eigenen vier Wänden oder bei der Arbeit, je nachdem welchen Job man hat.
Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es natürlich nicht. Jedoch ist es für das gesamte Nervensystem enorm wichtig, dass man sich hin und wieder entspannen
kann und nicht ständig unter Anspannung oder Angst steht. Aus diesem Grund ist es zu empfehlen, den Farbcode durchaus auch als "Spiel" zu betrachten, um nicht in das Paranoide zu
verfallen. Zudem übt man, durch die Anwendung des CCCs im Alltag, seine Wachsamkeit und Beobachtungsgabe zu verbessern und kann sich somit die Abfolge oder die eigene Gefechtsbereitschaft eher
bewusst machen.

Gelb = Entspannt alarmiert - aufmerksam, keine spezifische Aufmerksamkeit
In diesem Zustand liegt keine spezifische Bedrohung vor, jedoch ist man generell aufmerksam und wachsam. Man hält Augen und Ohren offen und ist sich bewusst, dass man heute angegriffen werden könnte oder anders ausgedrückt; heute könnte der Tag sein, an dem ich mich verteidigen muss.
Im übertragenen Sinn bedeutet das: Sobald man das eigene Haus verlässt, sollte der "Gelbe Zustand" eingenommen werden - d.h. in diese "lockere Wachsamkeit" überzugehen. Dies gilt
nicht nur für Angriffe von Menschen, sondern bspw. auch im Straßenverkehr ist es u. U. überlebenswichtig hellwach zu sein!
Um es auch hier nochmal zu betonen; es ist ein großer Unterschied, ob jemand paranoid oder sehr wachsam ist. Beim Autofahren ist sich jeder bewusst, dass es Sinn macht, nicht nur geradeaus zu
schauen, sondern auch die Seiten- und Rückspiegel zu verwenden. Das sollte man unbedingt auch machen, wenn man nicht gerade im Auto sitzt - sich umschauen / die Umgebung
scannen. Im amerikanischen gibt es die Ausdrücke "Watch Your Six" oder "Cover Your Ass", was genau dasselbe bedeutet.

Orange = Spezifisch alarmiert - spezifische Aufmerksamkeit, Vorsicht
Orange kommt bei der Ampel kurz vor Rot und ist auch hier so zu verstehen. Etwas stimmt nicht oder ist nicht in Ordnung und bedarf der spezifischen
Aufmerksamkeit. Es gilt herauszufinden, ob es eine Bedrohung gibt bzw. geben könnte. Die Denkweise muss sich nun ändern - "ich könnte jetzt
angegriffen werden bzw. ich könnte mich jetzt verteidigen oder auch flüchten müssen".
In dem "Orangen-Zustand" sollten bereits folgende Abwägungen getroffen bzw. Fragen beantwortet werden:
(Das sind reine Tipps und es gibt hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit)
Wenn es zum Übergriff kommen sollte:
- Welche Fluchtmöglichkeiten gibt es?
- Habe ich Waffen, die ich einsetzen könnte?
--- Könnte ich noch "Waffen" (Flasche, Stock, Kugelscheiber,...) besorgen, bevor es zum Übergriff kommt?
- Gibt es Personen in der Nähe, die mir helfen könnten?
- Wie agiere ich, wenn ich tatsächlich angegriffen werde?
--- Ziehe ich eher die Flucht vor oder stelle ich mich dem "Kampf"?
- etc.
Es ist wichtig zu agieren und nicht zu reagieren - man wartet nicht ab, was der potentielle Aggressor macht, sondern
agiert bereits im Vorfeld - bspw. flüchtet, verlässt die Räumlichkeit, sucht Hilfe auf oder setzt sich zur Wehr, etc. - was auch immer in dieser
Situation angemessen ist.
Wenn sich die Bedrohung als unbegründet erweist oder sich der "Konflikt" aufgelöst hat, schaltet man auf "Gelb", also die lockere Wachsamkeit, zurück.

Rot = Der Kampf - oder die Flucht - Action
Die "Orange-Linie" wurde überschritten - jetzt gilt es, die im Zustand Orange erdachte Strategie umzusetzen. Allerspätestens jetzt muss gehandelt werden - Flucht oder Kampf ohne Kompromisse. In diesem Zustand der Gefechtsbereitschaft bleibt man mindestens solange, bis die Gefahr gebannt ist und man sich an einem "sicheren" Ort befindet.

Schwarz = Self Check - Kontrolle auf Verletzungen
Nach dem Kampf oder der Flucht, wenn man sich in sicherer Entfernung befindet, kommt der Self-Check. D.h. man überprüft sich selber, durch abtasten des Körpers, ob man Verletzungen hat. Das ist nötig, weil man unter Adrenalin und Hochstress nicht unbedingt merkt, ob man verletzt wurde.
Bei einer bedrohenden Gefahr oder bei hohen emotionalen Belastungen schüttet der Körper vermehrt Adrenalin aus, dadurch spürt man die eigenen Verletzungen nicht
unbedingt sofort. Dies ist ein Schutzmechanismus, denn durch die hohe Adrenalin-Ausschüttung werden die Körperfunktionen quasi mit einem Turbo-Schub versorgt, die für die Energiegewinnung
wichtig sind. Bspw. wird die Sauerstoffversorgung verbessert und der Sauerstoffgehalt im Blut nimmt zu, somit sind die Zellen vermehrt mit "Energie" versorgt.
Kurz: Durch die hohe Adrenalin-Ausschüttung steht dem Körper kurzzeitig mehr Energie zur Verfügung und man ist kurzzeitig weniger anfällig für Schmerzen. Im Zweifelsfall sollte natürlich ein Arzt aufgesucht werden.
Assoziation:
Unser Gehirn speichert Bilder sehr viel besser ab, als bspw. Textinformationen - deshalb hier noch einige Tipps, wie man sich den Cooper Color Code relativ einfach merken kann:
- Weiß: Die meisten Häuser sind weiß gestrichen. In gewohntem Umfeld, was meistens das Zuhause ist, fährt man die Aufmerksamkeit / Gefechtsbereitschaft eher runter.
Assoziation: Weiß / Zuhause / Unaufmerksam
- Gelb: Sobald man im übertragenen Sinne, sein Zuhause verlässt, muss man seine Aufmerksamkeit steigern, da man bspw. auf einer Bananenschale ausrutschen könnte
;).
Assoziation: Gelb / Ausrutschen auf Banane / Unspezifische Aufmerksamkeit
- Orange: Orange kommt bei der Ampel kurz vor Rot - hier stimmt etwas nicht, man
muss wachsam sein.
Assoziation: Orange / Ampel kurz vor Rot / Spezifische
Aufmerksamkeit
- Rot: Rot wird automatisch mit einem Warnsignal assoziiert. Alle Alarmsignale müssen
leuchten.
Assoziation: Rot / Höchster Alarm / Kampf-Flucht
- Schwarz: An was denkt man bei der "Farbe" Schwarz? An den Tod zum Beispiel. Damit wir nicht sterben, durch Verletzungen, die wir bei dem Kampf oder der Flucht erlitten haben, machen wir den Self-Check.
Assoziation: Schwarz / Self-Check / Abtasten, überprüfen da ich nicht sterben will
Anmerkung:
Die Farbabfolge muss nicht zwangsläufig linear ablaufen - es kann auch mal von Gelb zu Rot gehen oder im ungünstigsten Fall von
Weiß zu Rot. Wie ein Kampf oder eine Flucht in der Realität tatsächlich aussehen kann, ist nie vorhersehbar. Manchmal ist auch eine verbale Deeskalation möglich, allerdings sollte nicht davon
ausgegangen werden.
Der Farbcode kann als wichtiges "Werkzeug" für die eigene Sicherheit verstanden werden. Wie mit jedem Werkzeug ist der Benutzer für das richtige Einsetzen dieses Werkzeuges selber verantwortlich. Wichtig ist hier noch anzumerken, dass man sich immer an die Notwehrparagraphen halten sollte.
Ich bin der Meinung, dass man im Selbstschutztraining (so gut es geht) einüben sollte, von dem weißen, also rel. entspannten Zustand, blitzartig in den roten überzugehen - von 0 auf 100.
Folgenden Leitsatz von Kelly McCann, den ich selber auch teile, möchte ich Dir noch ans Herz legen:
"Es geht nicht darum, die perfekte Abwehr/Maßnahme bei einem Übergriff zu finden - die perfekte Maßnahme wäre; nicht in dieser Situation zu sein!"
(Kelly McCann ist u.a. ein renommierter und anerkannter Taktik-Experte im Bereich Anti-Terrorkampf und zudem Nahkampfexperte für den Lehrstoff der U.S Marine Corps.)
(Alle Angaben ohne Gewähr - Irrtümer und Änderungen vorbehalten)